Die Band Rogers ist erwachsen geworden
Düsseldorf (kle) Gedränge und Gehupe auf der Merowinger Straße: Der Feierabend-Verkehr nimmt langsam an Fahrt auf. Die beiden Punkrocker Chri und Artur von den Rogers bekommen davon gar nichts mit. Sie sitzen hinter der Fensterfront einer Anleger-Wohnung inmitten irgendeines Düsseldorfer Hinterhofs und beantworten die Fragen eines Journalisten zu ihrem neuen Album „Rambazamba & Randale“. Sehr konzentriert sehen sie aus.
Ein paar Minuten später müssen sie noch einmal ran. Zum letzten Mal an diesem Tag. Sie würden das schon mögen, zu quatschen über ihre Band, ihre Heimat, ihre Musik und so. „Aber manchmal ähneln sich die Fragen dann doch irgendwie“, gibt Artur unverhohlen zu. Er bedaure das genauso wie seine Aufmerksamkeit, die im Verlaufe der vielen Interviews öfter leide, als ihm lieb sei. Chri grinst währenddessen in sich hinein und versinkt dabei irgendwie immer tiefer in seinen Stuhl. Erst die Frage, ob die zwei denn in Corona-Zeiten etwas zu viel Blink-182 gehört hätten, lässt Chri wieder aufrechter sitzen. Sein Grinsen verschwindet. Sein Blick ist fokussiert. Ganz plötzlich. „Nicht, dass wir wissen“, schießt es fast zeitgleich aus beiden heraus. Ihr Lachen allerdings ist verdächtig. Und ziemlich ansteckend. Diese Band-Vergleiche, sie sind zu 99,9 Prozent ein ziemlich bescheidener Einstieg für ein Interview, doch dieser hier musste sein. Weil er sich aufzwingt, wie eine streunende Katze, die man nicht mehr los wird. Die Akzentuierungen des Gesangs, der Drums und Gitarren, die Art der Breaks, bestimmte tonale Passagen, dazu der Sound. Bei den ersten Nummern von „Rambazamba & Randale“ versucht man vergebens, das alte Bravo-Poster, auf dem die drei kalifornischen Jungs von Blink-182 mit nur einer Boxer-Shorts bekleidet zu sehen sind, aus dem Kopf zu kriegen. Aber vor allem beim Song „Rapstar“ mag das nicht so recht klappen.
Dafür klappt sonst richtig viel so kurz vor Feierabend zwischen einer XXL-Haribo-Box Phantasia, ein paar Gläsern Wasser Ohne und einem Schüsselchen Studentenfutter. Überhaupt Studenten. Um es direkt zu sagen: Sie sind keine. Aber sie könnten welche sein. Artur, der stünde dann kurz vor seinem Abschluss in Sportökonomie, Chri, der wüsste dann nach der Abgabe seiner letzten Hausarbeit zum Thema „Perspektiven der Sozialarbeit“ nicht mehr, ob es noch das ist, was er eigentlich machen möchte. Weder Sportökonom noch Sozialarbeiter sind sie geworden. Auch nicht aus Versehen. Aus Versehen ein Stück weit erwachsener seien sie stattdessen geworden, erzählen sie. Und mit erwachsen meinen die zwei Düsseldorfer Punker nicht etwa das Häuschen am See samt geiler Karre, Hund und Ehefrau. Sie meinen damit ihre persönliche Entwicklung. Vor allem die der letzten drei Jahre. „Dass wir mit der Band unseren kompletten Lebensunterhalt verdienen können, war und ist für mich alles andere als selbstverständlich“, konstatiert Chri. Den musikalischen Erfolg, den könne man nur bedingt beeinflussen. Aber das Erwachsen-Werden, das passiere einfach so, ein bisschen wie aus Versehen. Jedenfalls fühle sich das so an, sagt er und schaut dabei etwas länger aus dem Fenster in den Himmel. Die Nummer auf ihrem neuen Album „Aus Versehen“, die fühlt sich exakt so an: Das Erwachsen-Werden kommt, wie und wann es will. Eine tolle Nummer, weil sie so viel Raum für unterschiedliche Perspektiven in sich trägt.
Viele Perspektiven dagegen lässt ihr Track „Freunde lassen Freunde keine Polizisten werden“ nicht zu. Zumindest nicht für die zukünftigen Kritiker der vier Jungs, deren kommende Platte vom Kommerz-Riesen Warner Music vertrieben wird. Bei der Textzeile werden sie sich wohl auf die ein oder andere unangenehme Nachfrage einstellen müssen. Damit jedoch könnten sie gut leben, behaupten Chri und Artur steif und fest. Das nimmt man ihnen ab. Außerdem, so verrät Artur, hätte er überhaupt nichts gegen Polizisten. Vielmehr sei es diese kollektive Frustrations-Rhetorik und die oft damit einhergehende Hau-Drauf-Mentalität, der beinahe jede und jeder in dieser Truppe früher oder später zum Opfer fallen könne, raunt er und gibt zu, dass das in vielen anderen Berufen ähnlich sei. Am Ende halten wir drei einstimmig fest: Der Beruf eines Polizisten ist grundsätzlich einer mit guten Absichten. Genau wie auch der Song „Mein Leben gegen die Wand“ eine gute Absicht verfolgt: „Vor allem junge Menschen fühlen sich mittlerweile immer orientierungsloser und total überfordert mit Schule, Freundschaft, Familie und Sexualität“. Für viele Jugendliche sei das wie mit 200km/h über die Autobahn zu brettern. Chri sagt und weiß das, weil er eine Zeit lang mal einige von ihnen nebenberuflich pädagogisch betreut habe. Dieses Gefühl so kurz vor einem Abflug von der Piste, das könne er gut nachvollziehen. Aber: Der Umweg über Land, der sei doch auch schön. Und entspannter, lacht Chri. Er schaut aus dem Fenster in den Himmel. Mal wieder.
Auf der Merowinger Straße huschen nur noch ein paar wenige Autos stadtein- oder auswärts. Die Rogers sind ganz schön erwachsen geworden. Aus Versehen.