Muse in Köln – zwischen Paradies und Gosse

Köln (kle) Wie auch immer man sich das Ende dieser Welt vorzustellen vermag. Der Soundtrack der britischen Rockband Muse wird dabei im Hintergrund laufen. Und geheadbangt wird dabei. Bestimmt.

Für dieses dystopische Szenario geübt haben Matthew Bellamy, Chris Wolstenholme und Dominic Howard alias Muse im Rahmen ihrer „Will of the People“-World Tour zusammen mit rund 25000 Fans gestern Nacht im Kölner Rheinenergie-Stadion. Und diese „Probe“ wurde ein voller Erfolg, könnte man sagen. Angefangen hat sie bei 32 Grad im Schatten, mit der Vorband Royal Blood und Songs vom Band wie „Kids“ von MGMT oder „1979“ von den Smashing Pumpkins. Erst, als dann „Tricky Tricky“ von Röyksopp doppelt so laut aus den Boxen dröhnt, die Zuschauer dazu stoisch den Kopf auf- und ab bewegen und Kunstnebel-Schwaden aus den Düsen gedrückt werden, ist klar: Muse kommen.

Und das tun sie. Und wie. Nämlich mit trapezförmigen Masken aus Spiegelglas vor dem Gesicht. Abgeschaut haben sie sich das vielleicht ein bisschen von Marilyn Manson. Oder von Cro. Musikalisch zumindest ist das eher Manson-Style, pusten einen doch die harten Riffs und Beats der Nummer „Will Of The People“ förmlich von den Plätzen. Ein Fan kreischt sich sein Adrenalin aus der Seele. Wahnsinn. Als einen Song weiter, bei „Hysteria“, Bassist Wolstenholme das wohl bekannteste Bass-Intro der jüngeren Rockgeschichte zum Besten gibt, dabei wie eine Rampensau ganz vorne auf dem Bühnensteg steht und sich samt Bassline abfeiern lässt, muss man den Jubel der Fans wohl noch bis Köln-Nippes hören können. Die ersten zögerlichen Moshpits entstehen, Bellamy ist ganz schön gut drauf, rennt er doch mit seiner Gitarre im Schlepptau immer wieder höchst engagiert den Steg rauf und runter. Bewundernswert, wie er es hinbekommt, bei dieser körperlichen Ertüchtigung nicht einen Spielfehler zu machen. Und bewundernswert, wie er es hinbekommt, bei all dem so wenig zu reden und doch so viel zu sagen während des Auftritts.  

Dann jedoch haut er doch einen raus und nuschelt „The next song was released before you were born“ ins Mikro. Gemeint ist die Galakto-Nummer „Bliss“ aus dem Jahre 2001. Okay: Ein paar jüngere Fans, vielleicht Anfang zwanzig, tummeln sich auf den Rängen und im Innenraum des Stadions, aber das Gros des Publikums steuert alterstechnisch hart auf den frühen Herbst des Lebens zu und fühlt sich bei Bellamys Aussagen geschmeichelt. Sehr sogar. Apropos Frühherbst: Die Lieder der Südengländer haben oft etwas von einer Endzeit-Stimmung. Aber von einer, die schön ist. „Bliss“ beispielsweise könnte so ein letztes Lied sein, das die Welt hört, bevor sie in die Luft fliegt. Das Besondere an Muse ist der permanente musikalische Balance-Akt: Sanft-melodische Parts, die einen ins Paradies zu locken versuchen, wechseln sich ab mit ruppigen Teilen, die einen kurze Zeit später wieder in die Gossenrock-Realität zurückschleudern. Aber die hat auch einiges zu bieten. Matthew Bellamy zum Beispiel, der Songs wie „Verona“ oder „Madness“ singt wie ein geprügelter Engel. Aber wie einer, der sich schon längst damit abgefunden hat, unter uns Sterblichen bleiben zu müssen. „Can we kiss / With poison on our lips“. Betörend. 

Als es schließlich um kurz vor zehn so richtig dunkel wird, die Lichtshow ihre gesamte Wirkung entfalten kann und die Band zusammen mit ihren Fans irgendwo zwischen Lasereffekten und Basslinien versinkt, hat man das Gefühl: Jetzt erst ist das Konzert ein Konzert. Zumindest ein Stadion-Konzert. Das wissen auch Muse, sie versetzen mit Nummern wie „Uprising“, „Starlight“ oder „Knights of Cydonia“ den Höhepunkt ihres aristotelischen Gig-Dreiecks einfach zeitlich etwas nach hinten und gehen schließlich von der Bühne, wie das nun mal Rockstars so machen. Mit einem ordentlichen Wums.


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