Superstar Drake sucht die Nähe zu den Fans

Köln (kle) Liest man die Kommentare der Fach-Journale über den kanadischen Rapper Drake, aka Aubrey Drake Graham, kann einem währenddessen schon einmal schwindelig werden. Zusammengefasst klingt das in etwa so: „I want the money. The money and the cars. The cars and the clothes. The hoes. I suppose I just want to be successful.“ So simpel und dreist wie im Song „Successful“ hat Drake seine Ambitionen nie wieder formuliert, aber sie knallhart umgesetzt, das hat er.

Dieser Drake also, fünfmaliger Grammy-Gewinner, der als Rollstuhl-Basketballer in einer kanadischen Teenie-Seifenoper startete, dann lässig dem Drehbuch entstieg und Hip-Hop-Goldjunge wurde, stand gestern Nacht das erste Mal von insgesamt drei Auftritten im Rahmen seiner „$ome $pecial $hows 4 EU“-Tour vor rund 15.000 sich ins Delirium kreischenden und singenden Fans auf der Bühne der Kölner Lanxess Arena. Achtung (schlechtes Wortspiel!): Temporär mit von der Partie als Special Guests waren keine Geringeren als der kanadische R&B-Sänger PartyNextDoor und der US-amerikanische Rapper Yeat.

Und weil das alles am Anfang so lange dauert – Drake betritt das Rampenlicht mit einer dreiviertel Stunde Verspätung erst um viertel vor zehn – haben alle genug Zeit, sich die höchst spezielle Bühnenkonstellation genauer anzuschauen. Zwei Bühnen zieren den Innenraum - die eine rechts, die andere links -, und deren Rückseiten sind frei einsehbar, sodass auch die dahinterstehenden Fans ihrem Idol so nah sein können wie Liverpooler Fußballfans ihrem Torwart an der Anfield Road. Ein etwa drei Meter hohes Laufsteg-Oval aus Plexiglas – ähnlich einem Skywalk in den Alpen – verbindet die beiden Bühnen miteinander und ragt über den Köpfen der Fans. Aber Drake schießt nicht, wie viele vermuten, in einem Akt der Täuschung plötzlich auf den Steg, nein, er kommt ganz gechillt aus einer oberen Ecke der Arena zu „Gimme A Hug“ herunterspaziert. König Drake. Leibhaftig. Die Ordner drücken für ihn die Gasse frei. Dem Superstar so nah (da ist es schon wieder, dieses Wort).

Sodann richtet Graham ein paar Worte an sein Kölner Publikum, die sehr berühren. Er genieße es, seit so langer Zeit mal wieder in Deutschland zu sein. Sein siebenjähriger Sohn Adonis sei heute Nacht auch vor Ort. Die Halle stöhnt vor Entzückung. Schließlich singt Drake, der 2016 einmal in der Öffentlichkeit zugab, in Sängerin Rihanna verliebt gewesen zu sein, den Song „Teenage Fever“: „If you had my love / And I gave you all my trust / Would you comfort me?“ Die Halle schmilzt dahin vor Sanftheit. Doch so soft wird’s nimmer, denn ab „Headlines“ stellt der 38-Jährige unmissverständlich klar, wer der Chef im Ring ist: „Ich bin heute Nacht euer Entertainer!“, schreit er ins Mikro. Und dann springt er zu den Lyrics „That the real is on the rise / Fuck them other guys“ wie ein bengalischer Tiger, der von einem Stück Fleisch angelockt wird, auf dem Skyline-Steg auf und ab, so dass der Moshpit von ganz allein zuerst in Wallung und schließlich in Ekstase gerät. Gäbe es einen Musikpreis in der der Kategorie „Das beste letzte Mega-Gruppen-Abzappeln vor einem möglichen Kometeneinschlag, der die ganze Menschheit vernichtet“, Drake hätte mit seinem Anpeitsch-Potenzial gute Chancen auf den Hauptgewinn. Nur wenige Dompteure und Akteure der Musikwelt beherrschen ihren Job so gut wie das Phänomen Drake. Erst Mixtapes in Eigenregie, dann Bloghype, dann Lil Wayne im Schlepptau; und plötzlich füllt er Arenen, ohne bis dahin überhaupt ein offizielles Album aufgeboten zu haben. Das war zu Beginn der 2010er-Jahre. Kurze Zeit später räumt er mit seinen Debüt-Alben „Thank Me Later“ und „Take Care“ Platin-Trophäen ab und gründet sein OVO-Label, während er nebenbei Mode, Whiskey und TikTok-Choreos veröffentlicht. Drake ist der Superlativ des Umtriebigen und – neben The Weeknd – der wohl größte Rap-Export aus dem Land der Elche, Luchse und Braunbären.

Und weil Drake das mit der Nähe zu seinem Publikum so mag, sei noch das erzählt: Nach einer guten Stunde legt DJ Spade an seinen Turntables inmitten der Ränge ein paar Songs auf. Kurz darauf gesellt sich Hauptprotagonist Drake dazu. Ungläubige Fans, die eine Handbreit neben, unter oder über ihm stehen dürfen, und ihm – wenn sie denn wollten – ordentlich ihre Meinung hätten ins Gesicht blöken können, schreien und filmen sich lieber ihre Seele aus dem Leib, ein weißer BH fliegt aufs Mischpult. Aubrey Drake Graham bleibt cool. Weil er es ist. Ganz bestimmt.

Fazit: Der Tag nach dem Konzert ist ein Samstag. Gott sei Dank. Genug Zeit für alle, ihre Erinnerungen an Drake ordentlich aufzuarbeiten. 


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