38.000 Fans feiern Guns N’ Roses in Düsseldorf

Düsseldorf (kle) „Schau mal, da spielt eine der größten Rockbands aller Zeiten!“, ruft ein Vater seinen beiden Kindern zu, während sie sich langsam aus dem Innenraum Richtung Ausgang bewegen. Das ist herzzerreißend, weil er ihnen zu all dem sogar noch die Luftgitarre macht. Doch die Kleinen haben längst genug von Slash, Axl und Co. Müdigkeit siegt über Mythos. Sie verlassen die Arena, und nur ein paar Sekunden später entlädt sich die Energie der Rockgeschichte in einer einzigen Nummer, eingeleitet von einem Solo der Gitarren-Legende Slash, und dann: „Sweet Child O’ Mine“. Die Arena explodiert. Tausende Arme in der Luft, ein Chor aus Kehlen, der jeden Ton mitsingt: „Woah-oh-oh! Sweet child of mine“.

Guns N’ Roses gastierten gestern Abend im Rahmen ihrer aktuellen Europa-Tour in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena. Rund 38.000 Fans waren gekommen, um die Hardrock-Legenden aus Los Angeles live zu erleben. Die Band um Sänger Axl Rose und Gitarrist Slash präsentierte ein über drei Stunden langes Set mit Songs aus allen Schaffensphasen: von „Appetite for Destruction“ (1987) bis „Chinese Democracy“ (2008). Und um es gleich vorwegzunehmen: Wer an diesem Abend in Düsseldorf war, bekam keine nostalgische Replik, sondern eine weitgehend solide, bisweilen beeindruckende Bestandsaufnahme einer Band, die zwar nicht mehr nach Aufbruch klingt, aber immer noch nach sich selbst.

Klar, Axl’s Stimme ist abgenutzter geworden, tiefer, nicht mehr ganz so explosiv wie in den 1990er-Jahren. Dennoch fragt man sich, wie er das hinbekommt mit seinen Obertönen, die so rein gar nichts mit Falsett zu tun haben und die er von seinen Stimmbändern über seine Lippen schnurstracks raus ans Mikro schiebt, so wie es selbst ein Elch zur besten Brunftzeit nicht hinbekäme. Dazu sein Gesichtsausdruck: immer am Anschlag. Seine Schläfen, insbesondere seine Halsschlagadern scheinen sich irgendwie stets in einer Art Dauer-Erregungs-Modus zu befinden. Und dann ist da natürlich Slash. Sonnenbrille, Zylinder, Gibson Les Paul, versteht sich. Er redet nicht (zumindest nicht viel), er spielt. Und wie. Seine Soli sind nicht von dieser Welt (das hat damals auch Michael Jackson erkannt!), da fragt man sich: Was hat Slash eigentlich sonst noch für Hobbies? Wahrscheinlich nicht viele. Passend dazu spielen die sechs Kalifornier und die eine Kalifornierin – seit 2016 nämlich haut Melissa Reese in die Keyboard-Tasten der Sleaze-Rocker – die Nummer „It’s So Easy“. Nein, so einfach ist das nicht mit den Saiten-Virtuositäten und dem jahrzehntelangen Erfolg der Band. Doch welches Geheimnis steckt dahinter? Vielleicht ist es dieses rowdy-artige der Songs, das sich auch in den Gesichtern der Musiker widerspiegelt: Schaut man genau hin, dann kann man erkennen, wie Slashs Lippen bei jedem Ton von „Yesterdays“ mitvibrieren und wie er es genießt, als wäre jeder Takt ein kleines kühles (alkoholfreies!) Gläschen Maracuja-Schorle auf Eis.

Mittlerweile scheinen Guns N’ Roses um den einstigen Bad Boy Axl Rose – er musste sich einst vor Gericht wegen Auslösens schwerer Ausschreitungen verantworten, nachdem die Band ein Konzert vorzeitig abgebrochen hatte – weniger an der Abbruchkante fragwürdiger interner Streitereien herumzustreunen als noch Mitte der 1990er-Jahre: Ihrem Spiel liegt ein Schuss (!) mehr Altersweisheit zugrunde. Just denkt man das, da packt sich Mister Rose bei „Absurd“ doch noch mit seiner rechten Hand frivol in den Schritt und schreit „Pussy full of maggots, isn’t that absurd?“. So ein böser Bub. Aber sei’s drum, zählen die Rock-Rebellen seit ihrer Gründung Mitte der 1980er-Jahre doch zu den einflussreichsten Rockbands ihrer Generation und wurden 2012 sogar in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Und als mit „Knockin' on Heaven's Door“ schließlich eine ihrer bekanntesten Melodien zusammen mit einem der wohl nachgeahmtesten Schlagzeug-Fills ertönt, liegt sich das ganze Generation-Golf-Y-Stadion in den Armen. Zumindest gefühlt. Dass die fast erfolgreichste Nummer der US-Amerikaner ein Cover von Bob Dylan ist: Sei’s drum, die Zweite, denn unbedingt wissen musste man das damals nicht mit 14. Fast am Ende der Show kommen selbstverständlich noch die neun Minuten, auf die die Fans den ganzen Abend so sehnsüchtig gewartet haben: „November Rain“. Ein schwarzer Flügel, davor Axl im Scheinwerferlicht, gekleidet in eine schwarze Paillettenjacke. Über dieses Lied wurde eigentlich schon alles gesagt und geschrieben. Vielleicht noch das: Es sollte in die persönliche Playlist mit der Bezeichnung „Songs, die ich samt ihren Musikvideos irgendwann mal meinen Enkeln vorspielen werde“ reingepackt werden. „Love is always coming, love is always going“.  


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